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2 Bändchen und 1 Badge

Dieser Sommer ist definitiv nicht, was ich erwartet habe. Was er aber auch nicht ist: schlecht. Ein Beitrag darüber, was es für mich bedeutet, zwei Festivalbändchen und ein Namensschild zu tragen.

Wenn ich an den April 2020 denke, sehe ich eine frischgebackene Kulturwissenschaftlerin, die fassungslos Tagesschau guckt. Die ohnmächtig zusieht, wie der reißende Fluss kultureller Sommerplanung erst ein Bach und mit jeder weiteren Verordnung ein Rinnsal wird, bis da nur noch die Pfütze digitaler Ersatzveranstaltungen ist. Aber ich sehe auch eine Optimistin, die trotzdem ihren Badeanzug rausholt … und springt. Ein Sprung in die kribbelnde Ungewissheit einer Selbstständigkeit kurz nach dem Studium.

Meine liebste Tanline: Schmale weiße Streifen am Arm

In meinem letzten Beitrag habe ich ja bereits über das Zeitgleich Festival berichtet. Mit einem Konzept aus unserer Feder gingen wir gemeinsam mit dem Sound of the Forest Festival und dem Watt en Schlick Fest an den Start, um als Zeitgleich Festival 4 Bühnen, 15 Acts und 8 Stunden Live-Stream auf arte concerts zu bringen. Mit leicht(er) bepacktem Reiserucksack ging es für mich Ende Juli in den Harz – hier folgten Tage absoluter Glückseligkeit. Denn wo sonst Augenringe, Funkgeräte und elektrisierender Stress das Bild prägen, hatte ich diesmal Zeit, Gespräche zu führen. Abends am Lagerfeuer, mit Menschen, mit denen ich seit Jahren Seite an Seite das Rocken am Brocken Festival aufbaue, aber nie wirklich ins Gespräch komme. Und vor der Kamera, wo ich zusammen mit Piet, unserem Bildprofi am Brocken, eine Interviewreihe zur aktuellen Situation, dem Zeitgleich Festival und den vielen schönen Geschichten rund um unser Festival moderiert habe. Und kurz vor Beginn des Zeitgleich Festivals – mit dem übrigens nicht nur wir, sondern auch arte sehr zufrieden war – gab es mein erstes Festivalbändchen dieses Jahr.

Cari Cari auf unserer Bühne – Girl Crush par Excellence

Übrigens: Mit einem ausgereiften Hygienekonzept, Disziplin und herzlichsten Ellenbogenbegrüßungen sind alle Helfer*innen vor Ort gesund, ja sogar beglückt, wieder abgereist. Ein Glück, denn sonst hätten wir 8 Stunden HD-Live-Material eines Superspreader-Events. Scherz.

Festival für Festivals: Analoge Seiten eines digitalen Formats

Mein zweites Bändchen gelangt im wahrsten Sinne des Wortes eigenhändig an mein Handgelenk: Ich ziehe es aus der „Festival für Festivals“-Box und zupple den schwarzen Verschluss selbst zu. Was ich noch aus dieser Box ziehe? Nagellack gegen die schwarzen Ränder, die man sonst nach drei Tagen Matsch unter seinen Nägeln hat, ein lebensgroßes Dixikloposter für Festival Feels am heimischen Örtchen und ein wunderschön gestaltetes Magazin, das mit wertigem Papier und schönen Fotos direkt gelesen werden will (lieber auf dem Sofa als im Campingstuhl, das gebe ich zu).

Ein Magazin, das von außen und innen überzeugt

Auf Seite 83 dann der kleine Herzhüpfer: Ein Artikel über den pandemischen Status Quo europäischer Festivals von mir. Das zweite Band also ein Zeichen der Verbundenheit mit der Aktion „Festival für Festivals“ und dem vortatendrangstrotzendem Höme-Team. Letzteres hat es geschafft, ein Wochenende voller Solidarität und Spaß zu veranstalten, das zeigt, dass digitale und dezentrale Formate doch cool (sagt man noch cool?) sind, wenn man sie richtig macht.

Wusste bei der Wahl meiner Wandfarbe natürlich schon, was dieses Jahr in ist

Hi I’m Lara and I’m part of the team

Das dritte Andenken an den Veranstaltungssommer 2020 ist kein Bändchen, sondern ein Namensschild. Und ein T-Shirt. Und 3 neue Prints, die meine bislang noch weiße Wand über dem Essenstisch zieren. Und ein neuer Arbeitskontext, den ich nicht missen möchte: Die Indiecon von Die Brueder Publishing. Ich bin zeitnah vor der Veranstaltung bei dem inspirierenden Team dazugestoßen und habe mich der PR, der Voluteer Koordination und einem Veranstaltungsformat angenommen. Kopfüber in ein Veranstaltungsgenre, das ich so noch nicht kannte.

Die Indiecon hat für mich an drei Tagen erfolgreich gezeigt: Man kann auf einer Großveranstaltung in Persona zusammenkommen, auch in diesem Nicht-Jahr. Schlichtweg überwältigend war der Zuspruch von Besucher*innen und Ausstellenden, die mit klinisch desinfizierten Händen durch die herrlichen Magazine am Oberhafen blättern durften. Irgendwann sind mir zwar die Antworten auf diese Lobeshymnen ausgegangen (einmal Smalltalknoob, immer Smalltalknoob (sagt man Noob noch??)), das Lächeln ist aber geblieben. Bis heute, wenn ich auf mein Handgelenk schaue.

Veranstalten dürfen in 2020 – so macht man Lara glücklich.

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Auf sechs Beinen vor dem Staubsaugerrohr fliehen

Ich bin ganz ehrlich: Als frisch gebackene Kulturwissenschaftlerin und langjährige Festivalveranstalterin war der März 2020 keine Glanzstunde für mich. Binnen weniger Tage blickte ich auf Brachland, wo sich einst mein (angestrebtes) Arbeitsumfeld blühend erstreckte. Booking toller Acts, die sich im Tourbus drängen, Gruppenkuscheln am Brocken und ein Berufseinstieg in der Kultur- oder Medienbranche? Oh well.

„Die haben doch eine neue EP gedroppt, oder?“

Als Kulturwissenschaftlerin bin ich das, was heute gern das Label des „Generalists“ oder auch „Multipotentialists“ auf die Stirn geklebt bekommt. Wir können überall ein wenig mitreden („Wie schon in Foucaults Idee des Panoptismus thematisiert …“ aber auch „Wenn du die KPIs nicht anständig definierst, müssen wir vom ROI gar nicht reden“), haben alles schon mal gemacht („Als ich damals bei fritz-kola gearbeitet habe …“ oder „Als ich damals in Vilnius gewohnt habe“) und kennen uns gut aus („Die haben doch gestern erst ihre neue EP gedroppt, oder?“). Corona machte jedoch selbst uns Alles-und-Nichts-Könner*innen das Leben schwer.

Hinkende Weberknechte, die vor dem Staubsaugerrohr fliehen

Bevor ich diesen Begriff überhaupt kannte, hatte ich manchmal das Selbstbild einer Spinne im Kopf. Bitte was? Ja, genau. Gleich einem Weberknecht gehe ich beruflich auf vielen Beinchen durch die Welt. Und das bedeutet: Wenn da mal eins nicht einsatzfähig ist, kein Problem!

Keine Ahnung, ob dieser Vergleich anatomisch bei Spinnen überhaupt aufgeht (Können die auf sechs oder gar vier Beinen auch vor dem Staubsaugerrohr fliehen?), das ist jedoch Nebensache. COVID riss mir – ich bin da ganz ehrlich – gleich mehrere Beinchen weg, ich konnte jedoch weiterhin beispielsweise auf das Standbein des digitalen Journalismus, der Konzeption neuer (Online-)Formate und auf Skills in Sachen Contentmanagement blicken. Ins Hinken bin ich auf jeden Fall geraten, völlig bewegungsunfähig wurde ich jedoch nicht.

Auf ins Morgenland!

Und so trug es sich zu, dass die lädierte Spinne mit der Energie von fünf Wochen Malaysia und einer selbstauferlegten Quarantäne zur Content-Managerin des Morgenland Festivals in Osnabrück wurde. Für rund einen Monat durfte ich mit dem wahnsinnig herzlichen Team des Festivals den Relaunch der Website des Festivals unterstützen. Diese bekam neben einem neuen Anstrich beispielsweise ein Archiv, in dem man auf die jahrelange Geschichte des international agierenden Festivals zurückblicken kann.

Im Rahmen des Projektes habe ich also liebevoll Metadaten gepflegt, spielte mit der Gestaltung der Pages und lernte, wie man die Hauptstadt Kasachstans richtig schreibt. Herausgekommen ist eine schöne neue Homepage, Lust auf Musik aus dem Morgenland und ein gestärktes Spinnenbein. Gar nicht so übel, oder?

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Das Grundrauschen eines ungewöhnlichen Sommers

Die Umarmung fehlt, die Herzlichkeit keineswegs: So finden sich Vertreter*innen des Appletree Garden Festivals, SNNTG Festivals und wir vom Rocken am Brocken Festival vor einiger Zeit zusammen. Online versteht sich, auf Zoom, um 11 Uhr vormittags, die Kamera läuft. Wir sprechen über den Status Quo der Festivallandschaft und wagen einen schüchternen, aber dennoch hoffnungsvollen Blick in die Zukunft unserer Branche.

Ich habe bei diesem Gespräch eine Doppelmission: Ich spreche als Mitveranstalterin des Rocken am Brockens angeregt mit, dabei fliegt meine Hand jedoch auch über das karierte Papier meines Notizblocks. Denn aus dem Gespräch soll auch ein Artikel für Hoeme, dem Magazin für Festivalkultur entstehen. Und genau das ist passiert. Ein Dialog über Ängste und Chancen, online und offline, Zukunft und Gegenwart. Für mich war die Position als Schreiberin und Rednerin neu – sie hat mich gezwungen, Genregrenzen einzureißen und meine Person als Autorin beim Lesen spürbar zu machen. Das Ergebnis lest ihr hier. Viel Spaß!