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Schrägstrich, Lücke, Stern: Eine kleine Anleitung des Genderns

Letzten Montag war Weltfrauentag. Heute ist wieder Montag und die Blumen, die es überall im rosaroten Sonderangebot gab, lassen ihre Köpfe bereits hängen. Das Problem, auf das der feministische Kampftag aufmerksam macht, besteht jedoch weiter. Wer am 8. März eifrig feministische Inhalte teilt, sollte auch die anderen 364 Tage im Jahr aktiv gegen sexistische Diskriminierung einstehen. Ein Ansatzpunkt ist und bleibt dabei die Sprache: niedrigschwellig, omnipräsent und wirksam.

Ich bin ganz sicher nicht die Erste, die eine gendergerechte Sprache diskutiert und fordert. Trotzdem  habe ich die komplexe Frage nach dem „Warum?“ und „Wenn ja, wie?“ einmal zusammengefasst – aus Sicht einer Texterin und Journalistin, Konzepterin und Feministin. Denn nicht nur aus sprachlicher und ideologischer, sondern auch aus markenstrategischer Sicht ist das Gendern ein Thema. Aber Achtung, Sprache unterliegt einem stetigen Wandel und so kann dieser Beitrag genauso schnell verwelken wie besagte Blumen.

„Gründe der besseren Lesbarkeit“ sind kein Grund

„Gendern“ als Antwort auf die Frage nach einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch ist von der politischen Peripherie langsam, aber sicher in die Tagesthemen, die Agenden deutscher Städte und sogar auf die Lippen des ein oder anderen CIS-Mannes vorgedrungen. Gendern bedeutet, von einem generischen Maskulin – also einer geschlechtsübergreifenden Verwendung eines maskulinen Wortes wie der Freund bzw. die Freunde für deinen gesamten Freundeskreis – zu einer Form der Sprache zu gelangen, die alle Menschen miteinschließt. Auch nichtmännliche Personen in seiner Sprache nicht nur mit zu meinen, sondern auch zu nennen, wird im Genderdiskurs als Sichtbarmachung eben jener Personengruppen gesehen. Dabei geht es um Gendergerechtigkeit, aber auch um eine Genderneutralisierung – denn nicht immer ist überhaupt entscheidend, welches Geschlecht wir gerade meinen. Somit ist das Gendern nicht nur eine sprachliche Façon, sondern auch eine politische Haltung.

Dass man ja selbstredend „immer alle mit meine“, ist übrigens erwiesenermaßen falsch: Studien zeigen, dass Lesende eher an Männer denken, wenn von „Ärzten“ die Rede ist, auch wenn es um eine geschlechtlich diverse Gruppe von Menschen geht.   

Doch auch auf inhaltlicher Ebene kann das generische Maskulin für so viel Verwirrung sorgen wie das deutsche Steuersystem: Wenn wir zum Beispiel konstatieren, in Kindergärten fehle es an Erziehern, so könnten wir einerseits meinen, dass es insgesamt nicht genug Personen gibt, die sich um unseren Nachwuchs kümmern, oder eben auf das gesellschaftliche Problem fehlender Männer in dieser Berufsgruppe hinweisen. So schafft Gendern auch inhaltliche Klarheit und vermag es, Stereotype aufzuheben (Börsenchefin! Kindergärtner!).

Ich könnte hier, mit hitzig-erhöhtem Fingerdruck auf der Tastatur noch weitere Gründe und Facetten dieses Diskurses aufgreifen, fasse mich aber kurz und beantworte die Frage „Soll ich gendern?“, klar mit ja. Ein nett gemeinter Satz à la „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter“ genügt heute nicht mehr, wenn wir wirklich zu einer gerechten Sprache finden wollen. Und nein, auch ein (m/w/d) reicht in meinen Augen nicht aus – schon allein, weil wir hier eine Hierarchisierung der Geschlechter durch Reihenfolge vornehmen.

Schwarz-weiß steht Dalmatinern deutlich besser

Wer bis hierhin nickend meinen Worten gefolgt ist, stellt sich nun vielleicht die Frage: Welche Form des Genderns soll ich denn nun verwenden? Als wir erkannten, dass es nicht nur Ärzte, Besucher und Politiker gibt (ein Glück!), fiel der Blick zunächst auf das andere Geschlecht. In einer binären (also auf zwei Polen beruhenden) Unterteilung wollte man nun auch Ärztinnen, Besucherinnen und Politikerinnen inkludieren.

Folgende binäre Möglichkeiten gibt es hier:

  • Die Doppelnennung: Freunde und Freundinnen
  • Das Binnen-I: FreundInnen
  • Der Schräg- und Bindestrich: Freund/-innen
  • Der Schrägstrich: Freund/innen

Letztere ist übrigens die bis dato einzige, vom anerkannten Regelwerk DUDEN abgedeckte, Schreibweise, möchte ich an dieser Stelle mit meiner Redigierbrille auf der Nase hinzufügen.

Während gegen Dalmatiner, Klaviere und Schachbretter nichts einzuwenden ist, bringt uns ein Schwarz-Weiß-Denken im Genderkontext leider nicht weiter. Hinzu kamen also Varianten des Genderns, die auch Personen mit einer non-binären Geschlechterzuordnung (weder Mann, noch Frau) Tribut zollten. Diese wurden, nur nebenbei und doch ein gutes Argument in jeder hitzigen Genderdebatte, seit 2018 für das Geburtenregister in der Bundesrepublik Deutschland auch für zulässig erklärt.

Folgende non-binäre, inklusive Möglichkeiten gibt es:

  • Gender Gap: Freund_innen
  • Doppelpunkt: Freund:innen
  • Gender-Sternchen: Freund*innen

Und vereinzelt rutschen ambitionierten Genderüberzeugten auch die Finger auf andere Tasten wie dem Mittelpunkt (Freund·innen) aus, der übrigens keine gute Wahl ist, da er als Zeichen der „einfachen Sprache“ zugeordnet wird.

Die Gender Gap war der erste Versuch des Philosophen Steffen Kitty Herrmann, das Problem non-binär zu lösen; dabei stellt der Unterstrich den Raum zwischen den beiden Geschlechtern dar, der exploriert werden soll. Der Doppelpunkt ist vor allem optisch ein Gewinner, da er den Lesefluss wohl am wenigsten stört und somit, so argumentieren dieser Tage viele, auch für Menschen mit Behinderung und Blinde, die auf ein Lesegerät angewiesen sind, lesbar ist. Überzeugt hat das übrigens auch Größen wie LinkedIn, die mich über meine „Profilbesucher:innen“ informieren. Eine historische oder semiotische Herleitung können die zwei Pünktchen allerdings nicht liefern – im Gegenteil suggeriert das gelernte Schriftzeichen eigentlich eine Aufzählung oder Erläuterung, die dann aber ausbleibt.

Last, but not least hat sich vielerorts das Gendersternchen etabliert. Disruptiv, nahezu aufmüpfig, streckt es seine kleinen Arme in alle Richtungen und zeigt damit die Diversität jener Geschlechteridentitäten auf, die es zu repräsentieren versucht. Das „hochgestellte Asterisk“, wie es offiziell heißt, kommt ursprünglich aus der Informatik und ist ein Platzhalter für „eine beliebige Zahl von Buchstaben“, was mehr als passend scheint.

Meine Empfehlung: Nach den Sternen greifen

In Sachen Gendern greife ich nach/zu den Sternen. Das Gendersternchen punktet für mich mit einem semiotischen Überbau, einer symbolischen Raffinesse und einem disruptiven Moment. Denn der Wunsch – oder sollte ich Kampf sagen – nach Gleichberechtigung muss sich nicht verstecken und in den Lesefluss einbinden. Er darf irritieren, das Auge stolpern lassen, unbequem im Textbild sein – denn er steht dort für eine unbequeme Wahrheit. Mit jedem Mal, das wir durch das Sternchen innehalten, reflektieren wir über seine Aussagekraft – und hasten nicht darüber hinweg wie bei einem kleinen Doppelpunkt. Dem Sternchen wird sogar von oberster Stelle ein wenig Freiheit erlaubt: Natürlich ist Beamt*innen rein grammatikalisch falsch (der männliche Plural wäre Beamte, das „e“ wird hier jedoch gestrichen), aber wenn selbst der Duden konstatiert, dass „sich der Sprachgebrauch in letzter Zeit von starren Regeln loslöst“, dann bin ich vorne mit dabei, dies auch zu tun.

Als Journalistin trage ich den Spannungsbogen stets in meinem Köcher – und habe bis zu dieser Stelle vermieden, meine persönliche Empfehlung im Text zu verwenden. Einerseits möchte ich natürlich die Lesezeit auf meiner Website erhöhen, andererseits zeige ich hier eins: Das ist möglich. Denn inklusiv und progressiv zu schreiben, heißt nicht nur, den aufmerksamkeitserheischenden Stern zu setzen, sondern auch, kreativ zu werden. Viele vermeintliche Gendermomente sind nämlich vor allem eins: vermeidlich (Ich weiß, dass es vermeidbar heißen müsste, but give me that moment here, please). Hier helfen Datenbanken wie Geschickt Gendern, die für die Raucherpause das Wort „Zigarettenpause“ vorschlagen und „Expertenwissen“ mit „Fachwissen“ ersetzen. Und auch Worte wie „Mensch“, „Person“, „Gast“ und „Mitglied“ bringen uns nicht in die Bredouille, während eine Substantivierung wie bei „Studierende“ ebenfalls eine gute Lösung sein kann.

Von Pflicht und Kür

Zu guter Letzt sei gesagt, dass noch vor einigen Jahren das Binnen-I einer sprachlichen Revolution gleich kam, der Schrägstrich mal das Maß der Dinge war und der Doppelpunkt weiter Einzug erhält. Sprache ist – und das liebe ich – fluide und so ist es die politisch-ideologische Ebene, die dieses Thema beeinflusst. Eine stetige Auseinandersetzung mit dem Status quo ist also die Kür des Genderns.

Wer mir bis hierhin gefolgt ist, meint es ernst. Zur Belohnung gibt es hier die Zusammenfassung:

Am Ende bleibt mir noch zu sagen: Ich bin natürlich gern behilflich, Texte einheitlich zu gendern. Als Texterin, Lektorin und … Feministin.

Quellen:

DUDEN: Die geschlechtsübergreifende Verwendung maskuliner Formen.

DUDEN: Gendern für Profis: zusammengesetzte Wörter mit Personenbezeichnungen.

DUDEN: Geschlechtergerechter Sprachgebrauch.

Geschickt Gendern: Das Genderwörterbuch.

Hecht, Marie (Supernovamag): Doppelpunkt statt Gendersternchen?

Universität Rostock: Übersicht für eine gendergerechte Schreibweise: Unterstrich, Sternchen oder Doppelpunkt?